Israeli und Deutsch-Palästinenser für Nahost-Workshops an Schulen ausgezeichnet

– Presseinformation –

Sätze wie „Die Juden sind schuld“ sind unter Berliner Schüler_innen keine Seltenheit, insbesondere an Schulen mit hohem Migrant_innenanteil. Der Deutsch-Palästinenser Mohamed Ibrahim und der Israeli Shemi Shabat gehen seit sieben Jahren gemeinsam in solche Schulen und räumen in interreligiösen Workshops für Schüler_innen mit den hartnäckigen Vorurteilen zum Nahostkonflikt auf. Für dieses Engagement zeichnet sie der Humanistische Verband Deutschlands, Landesverband Berlin-Brandenburg e.V. und die Humanismus Stiftung Berlin mit dem diesjährigen Ossip-K.-Flechtheim-Preis aus.

(19/6/2015) Wenn bei Mohamed Ibrahim oder Shemi Shabat das Telefon klingelt, ist der Anlass meist ein trauriger. Nach antisemitischen oder israelfeindlichen Vorfällen im Unterricht oder auf dem Schulhof wenden sich die betreffenden Schulen nicht selten an die beiden Mentoren. In ihren mehrtägigen Workshops für 9. und 10. Klassen gehen der 45-jährige Deutsch-Palästinenser Ibrahim und der 37-jährige Israeli Shabat diesen Vorfällen gemeinsam mit den beteiligten Schüler_innen auf den Grund. Durch genaues Hinhören, mit Rollenspielen und der Aufarbeitung persönlicher Ausgrenzungserfahrungen überwinden sie das Schwarz-Weiß-Denken in den Köpfen der Schüler_innen über den Nahostkonflikt.

Die Jury des mit 3.000 Euro dotierten Preises lobte diese Aufklärungs- und Bildungsarbeit zum Nahostkonflikt als „herausragendes interkulturelles und interreligiöses Engagement“, das im Sinne des praktischen Humanismus zu Verständigung, Mitmenschlichkeit und Toleranz beiträgt. Menschenfeindlichkeit werde in den Workshops nicht nur aufgearbeitet und reflektiert, sondern sei „Ausgangspunkt des Nachdenkens über die eigenen und fremden Schranken im Kopf“, heißt es in der Jurybegründung. Der Präsident des HVD Berlin-Brandenburg e.V., Dr. Bruno Osuch, lobte die israelisch-palästinensische Aufklärungsinitiative, „weil sie sich der Herausforderung stellt, in einer Zeit zunehmender ideologischer Radikalisierung die Ausgrenzungserfahrung der Schüler_innen zum Ausgangspunkt eines vertieften Verständigungs- und Versöhnungsprozesses zu machen.“

Die Verleihung des Ossip-K.-Flechtheim-Preises findet im Rahmen einer feierlichen Zeremonie am Sonntag, den 11. Oktober 2015 um 11 Uhr statt. Eine Einladung zum Festakt lassen wir Ihnen rechtzeitig zukommen.

Wie funktionieren die Workshops?

Nach einem Vorgespräch mit der Schule zum Anlass des Workshops holen Ibrahim und Shabat die Jugendlichen beim ersten Aufeinandertreffen dort ab, wo sie sind. Sie hören ihnen zu, fragen viel nach, lassen die Jugendlichen sprechen. Das von Stereotypen und Ideologien geprägte Bild des Nahostkonflikts wird sichtbar. Dem stellen sie die Fakten des Konflikts gegenüber, indem sie die komplizierte Historie sowie die unterschiedlichen Rollen und Sichtweisen nachzeichnen. Dabei brechen sie die vermeintlich typischen Rollen auf, indem der im Libanon geborene, aber in Deutschland aufgewachsene Mohamed Ibrahim die leidvolle Geschichte des europäischen Judentums seit dem 19. Jahrhundert nachzeichnet und der in Bagdad geborene, aber in Tel Aviv aufgewachsene Shemi Shabat über die beklagenswerte Entwicklung für die palästinensische Bevölkerung spricht.

Diesen Rollentausch muten sie im nächsten Schritt auch den Schüler_innen zu, die im Rahmen einer Simulation zur Aufarbeitung und Lösung des Konflikts in die verschiedenen Rollen der lokalen, aber auch der internationalen Akteure schlüpfen. So entwickeln die Schüler_innen nicht nur ein Gefühl für das Verhalten der einzelnen Parteien, sondern bekommen auch einen Eindruck, warum es so schwierig ist, eine Lösung des Konflikts herbeizuführen. Denn sobald sich ein_e Handelnd_r querstellt, ist ein dauerhafter Frieden nur noch schwer möglich. Diese Simulation wird anschließend aufgearbeitet, Zwänge, Nöte und Möglichkeiten in den einzelnen Rollen werden gemeinsam reflektiert. So entstehen alternative Sichtweisen auf den Konflikt, das Schwarz-Weiß-Denken wird von seinen Rändern aufgelöst. Denn im Kern des Konflikts und seiner Folgen an den Schulen steht die Frage, wie Gruppenidentitäten und Loyalitäten einerseits Stabilität geben, andererseits aber auch Anlass zu Ausgrenzung und Stereotypisierung bieten. Dies sind Erfahrungen, die viele Schüler_innen kennen und an die Ibrahim und Shabat anknüpfen, um gemeinsam mit den Schüler_innen alternative Sichtweisen zu entwickeln.

Neben den Workshops zum Nahostkonflikt für Schüler_innen trainieren Ibrahim und Shabat auch Lehrer_innen zum Umgang und zur Aufarbeitung menschenfeindlicher und antiisraelischer Vorfälle. Darüber hinaus bilden sie Jugendliche zu interkulturellen Trainern aus.

Wenn Sie Interesse an einem Interview oder einem Workshop-Besuch haben, vermitteln wir gern den Kontakt zu Mohamed Ibrahim und Shemi Shabat.

Der Ossip-K.-Flechtheim-Preis

Alle zwei Jahre ehren der HVD Berlin-Brandenburg und die Humanismus Stiftung Berlin eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, eine Projekt-Gruppe oder Institution, die sich auf wissenschaftlichem, politischem, weltanschaulich-philosophischem oder künstlerischem Gebiet oder durch praktisches soziales Engagement für die Verwirklichung humanistischer Werte und Ziele eingesetzt hat. In Erinnerung und Anerkennung an den Politologen und Zukunftsforscher Prof. Ossip K. Flechtheim als Theoretiker eines modernen Humanismus und langjähriges Mitglied des Humanistischen Verbandes, trägt der mit 3.000 Euro dotierte Preis seinen Namen. Bislang ausgezeichnet wurden das Projekt gedenkort-T4.eu | T4 – Virtuelles Mahnmal (2013), die Stiftung ZURÜCKGEBEN (2011), der Mediziner Dr. med. Michael de Ridder (2009), Seyran Ates sowie vier Schüler_innen der Fritz-Karsen-Schule in Neukölln (2006), Prof. Dr. Peter Grottian (2004) sowie Dr. Konrad Riggenmann (2002).

Mitglieder der Jury 2015

 

  • Rolf Schwanitz, ehem. MdB
  • Ülker Radziwill, stv. Vorsitzende der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus
  • Jutta Lieske, MdL in Brandenburg
  • Prof. Dr. Julius Schoeps, Direktor des Moses-Mendelssohn-Zentrums Potsdam
  • Prof. Dr. Dieter Wiedemann, ehemaliger Rektor bzw. Präsident der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“
  • Alice Ströver, Geschäftsführerin der Freien Volksbühne Berlin

Reinald Purmann, Paritätischer Wohlfahrtsverband Berlin und Repräsentant des letzten Preisträgers, dem Projekt gedenkort-T4.eu | T4 – Virtuelles Mahnmal

 

Ansprechpartner_in:
Humanistischer Verband Deutschlands | Landesverband Berlin-Brandenburg e.V.
Thomas Hummitzsch, Stefanie Determeyer – Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Wallstraße 61-65, 10179 Berlin
Tel. 030 613904-26 ∙ Fax: 030 613904-874
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